Montag, 19. Januar 2015

Die richtigen Fragen gestellt?! – oder eine Anleitung zur Beschäftigung mit dem Fragebogen zur Vorbereitung der Familiensynode 2015

(Online-Fragebogen des Familienbundes der Katholiken für das Erzbistum Köln e.V.)

"Es kommt darauf an, die richtigen Fragen zu stellen!", sagte mir bei einem Professorentreffen der Katholisch-Theologischen Fakultät der LMU München der theologische Altmeister Karl-Wilhelm Korff im Sommersemester 2014. Und dieser Satz – von Korff ohne einen Anflug von Überheblichkeit in dem Sinne gemeint, dass zu allermeist in der theologischen Wissenschaft die falschen Fragen gestellt würden, wenn denn überhaupt gefragt wird – schoss mir in wieder in den Sinn, als ich den neuerlichen Fragenkatalog zur Vorbereitung der Bischofssynode 2015 über die Jahreswende auf mich wirken ließ . Denn erst mit diesen neuen Fragen orientierte sich für mich der weitere Weg bis zur Bischofssynode im kommenden Oktober. Reichten davor die Aufrufe zur je persönlichen, gemeindlichen oder verbandlichen Beteiligung von der Empfehlung der Auseinandersetzung mit dem gesamten Themenkomplex rund um Ehe und Familie bis hin zur Konzentration auf diejenigen Ziffern 52, 53 und 55 des Abschlussdokumentes (zu den Themen ‚Wiederverheiratet Geschiedene‘ und ‚Homosexualität‘), die bei der außerordentlichen Synode 2014 keine Zweidrittelmehrheit bekamen, ist mit dem neuen, in den 'Lineamenta' der 'Relatio Synodi' unmittelbar angehängten Fragenkatalog nicht nur eine gemeinsame Grundlage für die Vorbereitung weltweit gegeben, sondern aus meiner Sicht auch dieselbe und zielführende Fragerichtung wieder aufgenommen, die schon die III. Außerordentliche Synode des Jahres 2014 durchweg prägte.


Ausgehend von einer grundsätzlichen Fragerichtung

Die 46 vielleicht auch in der deutschen Übersetzung zunächst etwas sperrig zu lesenden (und sprachlich und inhaltlich z.T. mehr an Multiplikatoren gerichtet zu sein scheinenden) Frageabsätze beschreiben auf etwa zehn DIN A4-Seiten tatsächlich einen Mittelweg zwischen einer unkonkreten und allgemeinen Beschäftigung mit dem gesamten Themenkomplex und einer alleinigen Fokussierung auf die oben genannten Gretchenfragen und muten jedem Leser / jeder Leserin stattdessen eine sehr umfängliche Textarbeit des weitere zwanzig Seiten umfassenden Abschlussdokumentes der Relatio Synodi‘ zu. Der – wie bereits in diesem Blog Ende November ausgeführt – die Abschlussrelatio kennzeichnende Dreischritt “Hören, Maß nehmen an der Botschaft Christi und Beziehen auf konkrete pastorale Felder” ist darüber ebenso mitzuvollziehen wie „der von der außerordentlichen Synode vorgezeichnete Weg […], der nämlich von den ‚existenziellen Peripherien‘ ausgeht, einer von der ‚Kultur der Begegnung‘ gekennzeichneten Pastoral, welche in der Lage ist, das freie Handeln des Herrn auch außerhalb unserer gewohnten Schemata zu erkennen“. Und in diesem Sinn sind die Einzelfragen von den Einleitungen der Teile I.-III. (jeweils vor den Fragen 1-11, 12-22 und 23-46) her zu verstehen. Diese zielen darauf „den nötigen Realismus bei den Überlegungen […] zu erleichtern, um zu vermeiden, dass ihre Antworten von solchen Schemata und Perspektiven gegeben werden, die einer Pastoral eigen sind, welche lediglich die Lehre anwendet und auf diese Weise die Schlussfolgerungen der außerordentlichen Synodenversammlung nicht berücksichtigen und damit […] von dem schon vorgezeichneten Weg wegführen würde.“ Die beiden allerersten Fragen – ohne eine eigene Ziffer und auf alle Teile des Abschlussdokumentes bezogen – lauten deshalb:
"Entspricht die Beschreibung der Realität der Familie, wie sie die Relatio Synodi vornimmt, dem, was heute in Kirche und Gesellschaft festgestellt werden kann. Welche fehlenden Aspekte können ergänzt werden?“

zu den konkreten Einzelfragen: eine kurze Summary

Aus demselben Grund wird auch und gerade im ‚hörenden‘ I. Teil nach kulturellen Ansatzpunkten und gemeinsamen Elementen im gesellschaftlichen Pluralismus, nach Familien in Extremsituationen und den Fernstehenden gefragt (1-6) . Im II. Teil wird die zu findende Pädagogik orientiert an der der göttlichen Pädagogik Christi – und auch hier ausgegangen von den Ansatzpunkten von Ehe und Familie im Leben von Jugendlichen und Erwachsenen in Hinblick auf die Entfaltung des Heilsplanes Gottes (7-19) und die mit ihm zusammenhängende „Barmherzigkeit gegenüber den verletzten und schwachen Familien“ (20-22). Erst vor diesem Fragehintergrund werden im III. Teil „Pastorale Perspektiven“ der Verkündigung in unterschiedlichen Kontexten in den Blick genommen und die Wege zur Vorbereitung auf die Ehe und zu ihrer Begleitung ebenso angesprochen wie die „Seelsorge für jene, die in einer Zivilehe oder ohne Trauschein zusammenleben (23-34) und die verwundeten Familien (Getrenntlebende, nicht wiederverheiratet Geschiedene, wiederverheiratet Geschiedene; 35-39) und Personen homosexueller Orientierung (40). Mit der Behandlung der Themenfelder ‚Weitergabe des Lebens und die Herausforderung des Geburtenrückgangs‘ (41-44) zur Erziehung und der Weitergabe des Glaubens schließt der Fragekreis.


mit ‚theologischen Schlüsseln‘ für eine zeitgemäße Familienpastoral

Überdeutlich wird mit dem neuen Fragebogen das im Blog-Beitrag im November hervorgehobene Resümee unterstrichen, dass sich die "vom Papst gewollte Haltung der liebevollen Begleitung von Familien und von Menschen auf ihrem Weg zu einer christlichen Ehe" bei der jüngsten Familiensynode im Vatikan durchgesetzt hat und es neben der Hinführung zur christlichen Ehe auch „neue Wege [braucht], um zu zeigen, dass Gott auch für jene seine Arme ausbreitet, die nicht dieses Ideal von Ehe und Familie leben.“ M.a.W., gefragt und gesucht werden die Beschreibung familialer Wirklichkeit und die sich darauf beziehenden pastoralen Möglichkeiten wie die Reflexion theologischer Modelle und ‚theologischer Schlüssel‘, um „semina verbi“ (vgl. Relatio Synodi, 22) bzw. „Spuren Christi“ in familialen Beziehungsformen unterschiedlichster Art auch in Beziehungen abseits des katholischen Eheideals zu finden, die dennoch gleichermaßen ausgerichtet bleiben auf den ebenso deutlich zu akzentuierenden Heilsplan Gottes mit den Menschen.

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mithilfe des Prinzips der ‚Gradualität‘

Einen dieser „theologischen Schlüssel“ für die Berechtigung und Begründung für den von Papst Franziskus nahegelegten „positiven Blick auf das, was da ist und nicht nur auf das, was fehlt“, hat die Synode 2014 mit dem Begriff der Gradualität – wie in diesem Blog-Beitrag am 7.10.2014 beschrieben – erprobt. Zu finden ist er in dem gerade erst mit dem Jahreswechsel Ende Dezember von der Deutschen Bischofskonferenz in einer Arbeitsübersetzung in deutscher Sprache veröffentlichten ‚Zwischenbericht‘ der III. Außerordentlichen Bischofssynode 2014 – und steht damit auch für die deutschsprachige Diskussion nunmehr zur Verfügung. Kardinal Schönborn favorisiert diesen theologischen Reflexionsbegriff weiterhin, obwohl er vor allem in der zweiten Synodenwoche der Familiensynode des Jahres 2014 kontrovers diskutiert wurde und im Abschlussdokument der Synode fehlt. Mithilfe des von Kardinal Schönborn nach der Synode in der November-Ausgabe der Herder Korrespondenz noch einmal präzisierten Prinzips der "Gradualität"
"können auch in Partnerschaftsformen, die der katholischen Lehre zuwiderlaufen, familiäre Werte und die Suche nach Wahrheit gelebt werden. Der Gedanke hatte bei der Bischofsversammlung große Debatten und Widerstand ausgelöst. Es habe ihn ‚ gewundert, wie vielen dies Sorge bereitet hat", erklärte Schönborn nun. Er selbst aber "bleibe dabei, dass diese Herangehensweise hilfreich ist", so der Kardinal: "Sie bedeutet ja nicht, dass, wenn ich nur einen Teil verwirkliche, dann alles in Ordnung ist. […] Aber wir erkennen die Suche, den Weg, das Prozesshafte an." (Kathpress, 3.12.2014)

...und des Prinzips der ‚Analogie‘

Ein weiterer theologischer Schlüsselbegriff wird von Seiten der Deutschen Bischöfe mit ihren ebenfalls in der in der erwähnten, gerade erschienenen DBK-Arbeitshilfe 273 veröffentlichten Stellungnahme über "Theologisch verantwortbare und pastoral angemessene Wege zur Begleitung wiederverheiratet Geschiedener" eingebracht. Unbeschadet ihres vorsichtigen Votums für eine 'unter bestimmten Voraussetzungen mögliche Zulassung von wiederverheiratet Geschiedenen zu den Sakramenten' möchte ich den dafür herangezogenen Begründungsansatz zitieren, der m.E. ebenfalls das Potential hat, den synodalen Prozess weiterzuführen. Die theologische Gedankenführung beschreibt – biblisch wie dogmatisch reflektiert –, „dass das Verhältnis zwischen dem Ehebund und dem Bund Gottes mit seinem Volk ein analoges ist. Neben den Ähnlichkeiten der beiden Bünde ist die größere Unähnlichkeit theologisch wie pastoral zu beachten [,…weshalb] auch die eheliche Liebe die göttliche Liebe immer nur unvollkommen und gebrochen abbilden“ (Ebd., 63) kann. 

Auf diesem Gedankengang fußend, fragt die große Mehrheit der deutschen Bischöfe, „ob dieses analoge Verhältnis zwischen dem Ehebund und dem Bund Gottes mit seinem Volk in der gegenwärtigen Verkündigung ausreichend bedacht wird“ (Ebd., 64), um zum Schluss dieser Veröffentlichung die Möglichkeit der Zulassung von wiederverheiratet Geschiedenen zu erwägen. Das Prinzip der (Verhältnis)Analogie wird an dieser Stelle – die ja eine der am meisten diskutierte Gretchenfragen betrifft – zitiert, so dass 'Analogie' auch ein Schlüsselbegriff für die dogmatisch vertiefte Diskussion des gesamten synodalen Prozesses und der eingeleiteten ‚pastoralen Wende‘ theologisch werden kann. Die Diskussion vertieft sich, die richtigen Fragen sind gestellt und werden nur im Mitgehen und -denken dieser Fragen – unbeschadet der Ergänzung ggf. hinunter gefallener oder übersehener Punkte (s.  die oben angesprochen, einleitende 'Fragen bezüglich aller Teile der Relatio Synodi') – weitergeführt. Auch ein Hinweis auf weitere Umfragen (wie der an die Vorbereitung der letztjährigen Synode erinnernde Fragenkatalog der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster) darf diese prioritäre Aufgabe nicht vergessen lassen. Nehmen wir Papst Franziskus darin beim Wort und denken wir die Fragen des vorbereitenden Fragebogens mit, der im Download oder seit heute als Online-Fragebogen einzusehen ist!